Heibel-Ticker Update 2019#2: FinTech CEO: Kein zweites Ö-Post Abenteuer

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07.02.2019:

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H E I B E L - T I C K E R P L U S U P D A T E

F I N A N Z I N F O R M A T I O N E N

- Einfach einen Tick besser -
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DEUTSCHE BIBLIOTHEK : ISSN 1862-5436
13. Jahrgang - Update 1 (07.01.2019)
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I N H A L T

01. TICKER-UPDATE: FINTECH CEO: KEIN ZWEITES Ö-POST ABENTEUER
02. DISCLAIMER / HAFTUNGSAUSSCHLUSS UND RISIKOHINWEISE
03. AN-/ABMELDUNG

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01. TICKER-UPDATE: FINTECH CEO: KEIN ZWEITES Ö-POST ABENTEUER
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Liebe Börsenfreunde,

ich war gestern auf einem Investorentag hier in Hamburg und hatte die Möglichkeit, unter anderen auch mit Frank Niehage, CEO der FinTech Group und IR-Chef Jörg Peters zu sprechen.

Wir hatten die Aktie im September 2017 zu 20 und im Juni 2018 zu 26 Euro gekauft und dann im Juli und September 2018 zu Kursen über 30 Euro verkauft (+50% bzw. +15%). Ich hatte mir ursprünglich ein Kursziel deutlich über 30 Euro errechnet, doch dann kam ein überraschendes Joint Venture mit der Österreichischen Post (Ö-Post) in die Quere.

Das Joint Venture wurde kurze Zeit später wieder abgesagt, dennoch fiel die Aktie im Rahmen der allgemeinen Marktschwäche (Crash-Dezember!), aber meiner Einschätzung nach aufgrund verlorenen Anlegervertrauens in das Management auf 15 Euro zurück.

Und wie immer, wenn etwas mal gut geklappt hat, hoffen nun viele Heibel-Ticker Kunden, das wir den Lauf von 20 auf 30 Euro nun wiederholen können. Die Bilanz und Geschäftsentwicklung haben sich nicht verändert. Wenn überhaupt sieht es heute besser aus, als zuvor. Doch das Management hat sich in Sachen Glaubwürdigkeit mit dem Ö-Post-Abenteuer keinen gefallen getan.

Ich habe daher das Gespräch genutzt, um insbesondere die Glaubwürdigkeit zu hinterfragen. Die Zahlen kennen wir ja schon.

CEO Niehage hat versprochen, ein solches Abenteuer nicht noch einmal zu unternehmen. Gleichzeitig wiederholte er aber mehrfach, dass er, sollte er erneut vor einer ähnlichen Entscheidung stehen, er sich wieder für das Joint Venture entscheiden würde. Nein, ich habe bei Niehage keine gespaltene Persönlichkeit festgestellt. Vielmehr gibt es zwei unterschiedliche Blickwinkel auf diese Geschichte. Um das zu verstehen, muss ich ein wenig ausholen.

Niehage ist Unternehmer. Offiziell ist er angestellter Vorstand und offiziell besitzt er wenige Prozent der Aktien von der FinTech Group. Aber über Optionen, die Bestandteil seiner Vergütung sind, errechnet sich ein Anteil von 4% und das ist für ihn genug, um von „meinem“ Unternehmen zu sprechen.

Von „meinem“ Unternehmen sprechen in der Regel nur Unternehmer, die den Großteil des Unternehmens selber besitzen und über strategische Belange weitgehend eigenmächtig entscheiden können. Wenn also Frank Niehage von der FinTech Group als „mein“ Unternehmen spricht, dann zeigt dies, dass er sich mit dem Unternehmen vollständig identifiziert und weitreichende Befugnisse hinsichtlich der strategischen Ausrichtung hat.

Das passt auch zum Ö-Post Abenteuer: Niehage hat die Konditionen des Joint Ventures durchgerechnet und aus „betriebswirtschaftlicher“ Sicht für gut befunden. Er sprach von einem „free ride to Austria“. Ich hatte damals in einer ersten Reaktion geschrieben, dass die FinTech Group ohne Kapitaleinsatz einen neuen Markt erschließt und einen neuen Ankeraktionär gewonnen hat. Bei einer genaueren Berechnung hatte ich dann festgestellt, dass jedoch erst 2022 mit einem Break-Even dieses Joint Ventures zu rechnen sei und so warfen wir die Aktie aus unserem Portfolio.

Denn, wenn die FinTech Group bis 2022 brauchen würde, um dieses, zugegeben, betriebswirtschaftlich attraktive Joint Venture dorthin zu bringen, dass ein Gewinnbeitrag geliefert wird, dann sind das Jahre, in denen das Stammgeschäft, das Brokerage, vielleicht vernachlässigt werden könnte. Doch das Brokerage war eigentlich der Grund, warum wir die Aktie haben wollten.

Was also betriebswirtschaftlich sinnvoll erschien, schürte Ängste bei Anlegern, das Management könnte sich verzetteln. Die Plattform FlatEx, Hauptprodukt der FinTech Group, ist modern und gewinnt Marktanteile. Warum sollte sich dieser flexible Broker mit dem undankbaren Bankgeschäft belasten?

Niehage betonte, dass die Ö-Post für alle Kosten des Filialgeschäfts aufgekommen wäre. Doch auch das beruhigte Investoren nicht, denn es ging nicht um die betriebswirtschaftliche Sicht des Joint Ventures, sondern um den Fokus des Managements.

Wenn Niehage also auf meine Frage, ob Anleger für die Zukunft erneut mit Joint Ventures oder Übernahmen dieser Art zu rechnen haben, und ich habe mindestens dreimal gefragt, dann bedeutet die Antwort „Ja“, dass er die betriebswirtschaftlichen Konditionen für gut erachtete und „Nein“, dass er das Brokerage-Geschäft nach dieser Erfahrung nicht verlassen werde.

Der Unternehmer Niehage wurde also durch seine Eigentümer (Aktionäre) gebremst. Ist das gut oder schlecht? Nun, es ist der Hinweis der Aktionäre, sich doch bitte als Unternehmer auf die Entwicklung des Stammgeschäfts zu beschränken.

Und das tut er jetzt. Niehage erinnerte daran, dass die DAB Bank im Jahr 2015 durch die BNP Paribas übernommen wurde. Damals gab es viele Kunden der DAB Bank, die ihr Depot einfach weiter dort betrieben. Es gab aber auch eine ganze Reihe von Kunden, die mit diesem Übergang nicht einverstanden waren und sich nach einem anderen Broker umschauten. Viele landeten bei FlatEx.

Der Markt sei verteilt, so Niehage, Kundenwachstum erreicht man nur noch dadurch, indem man anderen was weg nimmt – was teuer ist – oder indem man Sondersituationen nutzt, wie der Übergang der DAB Bank an BNP.

Nun konzentriert sich FlatEx auf Holland. Süffisant lächelnd erinnert Niehage an die gemeinsame Farbe Oranje, aber der wirkliche Grund liegt in der Übernahme der Binck Bank durch die Saxo Bank. Die Binck Bank ist mit 614.000 Kunden (Stand Feb 2018) die größte unabhängige niederländische Bank. Niehage will nun schon in den kommenden Wochen FlatEx-Werbung in Holland starten und hofft, ein paar wechselwillige Holländer zu FlatEx zu ziehen.

Das ist genau das, was Anleger sehen wollen: Die Broker-Technologie in andere Märkte bringen. Und wenn ein Ereignis wie die Übernahme der Binck Bank durch Saxo als Starthilfe betrachtet werden kann, dann dürfte das Anleger um so mehr gefallen.

Wenn wir schon mal bei Fusionen und Übernahmen sind: Aus Sicht der FinTech Group wäre eine Zusammenlegung der Deutschen Bank mit der Commerzbank so etwas wie ein Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk in einem. Oder Österreich: Grund für das oben beschriebene Joint Venture war die Aufkündigung des Vertrags mit der Ö-Post durch den bisherigen Technologiepartner Bawag zum Ende des laufenden Jahres. Die Ö-Post hat derzeit keinen Technologiepartner, der ab 2020 das Bankgeschäft in den Filialen sicherstellen kann. Sollte es nächstes Jahr zu Problemen der Ö-Post kommen, wird FlatEx davon profitieren. Auch ohne Joint Venture.

Also: Bei mir hinterließ Frank Niehage den Eindruck, dass er die Botschaft der Anleger verstanden hat. Was sich bislang bewährt hat, wird in der Zukunft konsequent weiter verfolgt. FlatEx wächst zweistellig im Umsatz, der Gewinn steigt überproportional an. Dennoch notiert die Aktie aktuell nur auf einem KGV 2020e von 12. Ich halte ein KGV von 20 für möglich bis zum Frühjahr 2020. Das würde tatsächlich bedeuten, dass die Aktie ihren Lauf von 2017 bis 2018 wiederholen könnte: Auch heute steht sie wieder bei 20 Euro und bei 30 Euro wäre das KGV 2020e noch nicht bei 20, sofern die Analysten ihre Schätzungen nicht nach unten revidieren.

Und dazu besteht kein Anlass. Sie werden sich daran erinnern, dass es einem Broker egal ist, ob die Kurse steigen oder fallen. Hauptsache es bewegt sich was, denn dann findet Handel statt und Broker erhalten eine Gebühr je Transaktion. Der Dezember dürfte da ein ziemlich guter Monat für FlatEx gewesen sein, oder was meinen Sie?

Problematisch könnte die Beteiligung der Ö-Post an der FinTech Group sein. Wir erinnern uns: Im Rahmen des Joint Ventures hat die FinTech Group eine Kapitalerhöhung in Höhe von 35 Mio. Euro durchgeführt, die von der Ö-Post gekauft wurde. Die Investition der Ö-Post ist aktuell nicht einmal mehr 25 Mio. Euro wert.

Mag sein, dass die Ö-Post diesen Dorn im Auge entfernen möchte und die Aktien auf den Markt schmeißt. Das würde den Aktienkurs nochmals kräftig belasten. Mag aber auch sein, dass die Ö-Post darauf setzt, dass sich die Aktie wieder in Richtung 28,50 Euro bewegt, so dass sie ohne Verlust rauskommen.

Frank Niehage hat versichert, dass ihm keine Verkaufsabsicht der Ö-Post bekannt sei. Vielmehr wolle er zu einem Kurs von 28,50 Euro, wenn dieser dann irgendwann erreicht werden sollte, einen neuen Ankeraktionär auftreiben, der vielleicht die Aktien als Paket übernimmt.

Ein anderes Thema, das wir uns merken sollten, ist die attraktive Gewinnmarge der FinTech Group. Die Gewinnmarge (EBIT) der FinTech Group liegt bei 30%, die der Commerzbank bspw. Bei nur 22%. Das liegt an zwei Dingen: Zum einen ist die Handelsplattform der FinTech Group moderner als die der Comdirect. Die Kosten je Transaktion liegen nach Aussage von Niehage bei 1,44 Euro, während sie bei der Comdirect nach seiner Schätzung bei 8 Euro liegen müssten.

Zum anderen verfolgt die FlatEx eine meiner Strategien: Online-Geschäft wird Online beworben. Sonst nichts. Der Weg von einem Magazin oder einer Zeitung, einem Plakat oder einem TV-Spot zum Eröffnen eines Online-Depots ist unendlich weit. Die Werbekosten von FlatEx seien daher deutlich geringer als bei Wettbewerbern, was sich in einer hohen Gewinnmarge zeigt.

Also: Meine Bedenken konnte Niehage ausräumen. Ein weiteres Abenteuer ist vorerst nicht zu befürchten und die Bewertung der Aktie ist nach dem Ausverkauf der vergangenen Monate sehr niedrig. In unserem Wachstumsbereich des Portfolios haben wir seit vergangenem Herbst keine Finanzaktie mehr, ich würde nun die FinTech Group dort wieder aufnehmen.

Der Aktienmarkt ist im Januar kräftig angesprungen. Ich würde mich also bereit halten, im Falle einer Konsolidierung oder eines Rückschlags in den kommenden Monaten nochmals nachzufassen.

Bitte kaufen Sie nur streng limitiert, damit wir den Kurs nicht bewegen. Ich denke, zu 19,60 Euro dürften wir alle zum Zug kommen.

FinTech Group
WKN FTG111, ISIN: DE000FTG1111
Kaufen bis 19,60 EUR
Nachkaufen um 17,50 EUR
Ziel 30 EUR bis Frühjahr 2020, KGV 2020 von 20 möglich (aktuell 12)
CEO nach Ö-Post Abenteuer durch Aktienausverkauf geläutert

Ihr
Börsenschreibel

Stephan Heibel

Chefredakteur und
Herausgeber des
Heibel-Ticker

P.S.: Lassen Sie mich Ihre Meinung, Kritik oder
Verbesserungsvorschläge wissen (selbst Lob ist willkommen ;-)
und schreiben Sie mir an leserbrief/at/heibel-ticker/./de.


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Es tut mir Leid, dass im Heibel-Ticker nicht die viel
versprechenden neuen Regeln der Rechtschreibreform
berücksichtigt werden, aber ich müsste Kopf stehen, um
diese zu verstehen.

Quellen:
Kurse: Deutsche Kurse von comdirect.de, Goldbarren von proaurum.de, US-Kurse von finance.yahoo.com. Alle Kurse sind
Schlusskurse vom Donnerstag sofern nichts Gegenteiliges vermerkt ist.
Bilanzdaten: Comdirect, Yahoo! Finance sowie Geschäftsberichte der Unternehmen
Informationsquellen: dpa-AFX, Aktiencheck, Yahoo! Finance, TheStreet.com, IR-Abteilung der betreffenden Unternehmen


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