Heute früh sind wir mit unserem Wunschkurs um 61 Euro bei Fielmann zum Zuge gekommen - inzwischen sind die Q-Zahlen bereits veröffentlicht. Eigentlich wollte ich ja vor den Zahlen einsteigen und hoffte auf eine positive Überraschung. Die positive Überraschung blieb aus, im Anschluss ist der Kurs nun auf unseren Wunschkurs gesunken.
Ich bin dennoch zufrieden mit dem Kauf: Die Zahlen sind solide und den Eindruck, den ich im Gespräch mit CFO Zeiss hatte, sehe ich in den Zahlen weitgehend bestätigt. Im Juni sei das Geschäft gegenüber dem Juni des Vorjahres um 3% angestiegen, so das Unternehmen. Dieser positive Trend setze sich derzeit fort.
Für das nächste Frühjahr erwarten Analysten eine Dividendenrendite von 2%. Der Umsatz wird im laufenden Jahr einmalig um 130 Mio. Euro (8%) einbrechen, wenn wir Analysten glauben. Im ersten Halbjahr betrug der Umsatzrückgang 170 Mio. Euro. 40 Mio. Euro müssen also noch aufgeholt werden, um die Erwartungen der Analysten zumindest zu treffen. Das entspricht etwa den 3%, die schon im Juni anteilig aufgeholt wurden. Das Unternehmen ist also auf Kurs.
Schon 2021 soll das Geschäft wieder auf dem Niveau von 2019 angelangt sein. 2019 stand die Aktie bei 75 Euro, warum sollte sie nicht wieder dorthin klettern? Und sollten nun Corona-Schnelltests sukzessive in der Breite verfügbar gemacht werden, wird sich das Geschäft eher schneller als langsamer erholen.
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Aus dem Heibel-Ticker PLUS 20/34 Kapitel 04: Eindrücke aus der Finanzbranche sowie eine übersehene Corona-Perle:
Ich hatte gestern auch die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit Fielmann CFO Georg Alexander Zeiss. Jede zweite Brille in Deutschland geht über den Ladentisch von Fielmann. Diese Marktdominanz wird unter anderem durch günstige Preise erreicht, daher kommt Fielmann trotz des hohen Marktanteils bei den Stückzahlen nur auf ein Fünftel des Umsatzkuchens. Doch interessant wird die Geschichte durch den vergleichsweise geringen Einsatz von Arbeitskräften und Geschäften: Nur jedes 20. Brillengeschäft in Deutschland ist eine Fielmann Filiale.
Im März und April wurden die Geschäfte aufgrund der Corona Pandemie geschlossen. Seither führen Nachholeffekte dazu, dass ein Teil des Umsatzverlustes wieder aufgeholt wird. Ein großer Teil der Brillenkäufe wurde durch Corona eben nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.
Aktuell geht das Unternehmen dennoch von einem Umsatzrückgang für 2020 in der Größenordnung von -14% auf 1,3 Mrd. Euro aus. Beim Gewinn sieht es noch dramatischer aus: -60% auf 100 Mio. Euro. Mein Eindruck nach dem Gespräch ist, dass diese Prognose sehr konservativ ist, sie beinhaltet jedoch die Ungewissheit über die weitere Entwicklung der Pandemie sowie über weitere Kontaktbeschränkungen bis hin zu einem zweiten Lockdown.
Denn seit Mai sind die Geschäfte geöffnet. Auf Laufkundschaft muss man zwar noch verzichten, aber Kunden, die im Vorfeld einen Termin vereinbart haben, sind deutlich kauffreudiger als Laufkundschaft. Mir konnte zwar keine Prozentzahl genannt werden, wie viel Umsatz durch die ausgesperrte Laufkundschaft verloren geht, doch 90-95% der Kunden mit Termin würden einen Kauf abschließen. Im Juli sei der Monatsumsatz bereits um 6% über dem Umsatz des Vergleichsmonats von vor einem Jahr gewesen. Auch wenn Zeiss das nicht so bestätigen wollte, so kann ich mir gut vorstellen, dass die Terminvereinbarungen in der Zukunft einen festen Bestandteil des Fielmann-Konzepts werden.
Für den Kunden entfallen lästige Wartezeiten und für die Filiale verbessert sich die Planbarkeit, wann genau wie viele Optiker im Laden sein müssen. Bei einer Kostenquote von rund 40% für das Personal ist das ein wesentlicher Faktor, der in der Zukunft die Gewinnmarge positiv beeinflussen könnte.
Zusätzlich hat Fielmann nun eingeführt, dass fertige Brillen nicht mehr im Laden abgeholt werden müssen, sondern nach Hause geschickt werden können. Sollte eine individuelle Anpassung erforderlich sein, kann der Kunde dann gerne wieder in die Filiale kommen. Doch dieses System ist wesentlich schlanker, als die Brille stets vor Ort abholen zu lassen, wo allein die Ausgabe Personal bindet.
Alle Aktien, die wir uns anschauen, werden auf Corona-Faktoren durchleuchtet. Fielmann-Filialen wurden im Rahmen des Lockdown in Deutschland, Österreich und der Schweiz, den Hauptabsatzmärkten von Fielmann, geschlossen. In dieser Zeit brach der Umsatz logischerweise ein. Doch es war der Lockdown und nicht eine eventuell ausgebliebene Nachfrage, die für den Umsatzeinbruch sorgte. Anders als im Restaurant oder Hotel gibt es bei Brillen einen Nachholeffekt. Die Nachfrageseite ist stabil und könnte in den folgenden Monaten sogar positiv überraschen.
Die andere Seite ist die Beschaffung: Fielmann verfügt über ein europäisches Beschaffungsnetzwerk, ist also ein wenig durch Probleme in der Lieferkette betroffen, nicht jedoch so stark wie global agierende Unternehmen. Lieferengpässe gab es bislang bei Fielmann noch nicht.
1,5 Mrd. Euro Jahresumsatz werden mit einer Marktkapitalisierung von 5 Mrd. Euro bewertet. Das entspricht einem KUV von 3,x. Alles über 2 ist mir eigentlich zu teuer.
Und mit einem Umsatzwachstum von 6% p.a. gehört Fielmann nicht gerade zu den Wachstumsunternehmen. Es ist ein solides Wachstum, aber mehr auch nicht. Wenn ich mir dann das KGV 2021e von 30 anschaue, dann ist auch das deutlich über meiner Faustregel von maximal der zweifachen Wachstumsgeschwindigkeit (2 x 6% = 12er KGV).
Vielleicht wächst der Gewinn ja überproportional? Nein, leider nicht: Die Bruttorendite ist seit einigen Jahren rückläufig: Betrug sie 2015 noch 18,4%, so sind es 2019 nur noch 16,7%. CFO Zeiss verweist auf die hohen Investitionen in die Digitalinfrastruktur, die derzeit den Gewinn schmälern. Positive Effekte aus diesen Investitionen seien vielleicht in 3 Jahren zu sehen.
Ende 2019 hat Firmengründer Günther Fielmann (80) das Zepter an seinen Sohn Marc Fielmann (31) übergeben. Die Digitalstrategie erfährt durch den Generationswechsel - altersmäßig wird hier fast schon eine Generation übersprungen - nun eine stärkere Aufmerksamkeit. „Es wurden seither noch ein paar Kohlen mehr aufgelegt”, sagt CFO Zeiss dazu.
Eine Reihe von digitale Themen werden derzeit von Fielmann als wichtig angesehen: Sehtest, Augenvermessung und digitale Anprobe.
Insbesondere bei der Augenvermessung tut sich was: Mit Hilfe von Face-ID eines iPads kann die Augenvermessung zukünftig vielleicht direkt am Beraterplatz in der Filiale erfolgen. Es muss nicht mehr zu dem hochkomplexen Vermessungsgerät im Nebenraum gewechselt werden. Das spare teure Optikerzeit, so CFO Zeiss.
Die digitale Anprobe verschiedener Brillengestelle gibt es heute schon bei vielen Fachgeschäften. Meine Kritik, dass die Proportionen von Gesicht und Brille häufig nicht passen würden, kann Fielmann heute noch nicht aus der Welt schaffen. Aber vielleicht in der Zukunft: Mit Hilfe von Face-ID kann ja das gesamte Gesicht vermessen werden und entsprechend kann die Anprobe dann auch Proportionen berücksichtigen. In meinen Augen wäre das eine Killer-App, also ein geiles Verkaufsargument für Fielmann. Doch ich hatte bei meinem Gespräch den Eindruck, dass die technischen Hürden für ein solches System derzeit noch nicht übersprungen wurden.
Flaschenhals des Fielmann-Geschäftsmodells sind seit vielen Jahren die Fachkräfte: Optiker gibt es nicht. 40% aller Optiker-Lehren in Deutschland werden von Fielmann betreut. Man sollte meinen, dass so für den nötigen Nachwuchs gesorgt ist. Dennoch bleibt der Optiker nach Aussage von CFO Zeiss rar. Um so wichtiger ist es, durch eine digitale Unterstützung die Arbeit des Optikers effizienter zu gestalten.
So sollen auch die Filialen vergrößert werden: Statt immer neue Filialen zu eröffnen, sollen die bestehenden vergrößert werden. Dort können dann die Arbeitsabläufe so optimiert werden, dass die Optiker nochmals einen Effizienzschub erfahren.
Also: Digitalisierung läuft, dauert aber noch, bis sie sich in den Zahlen positiv niederschlägt. Derzeit sehen wir überwiegend die Kosten. Auf den Lockdown und die anschließenden Kontaktbeschränkungen konnte Fielmann mit einer Reihe von Lösungsansätzen reagieren. Zum einen ist Fielmann mit reichlich Cash ausgestattet, so dass die Krise keine finanziellen Nöte nach sich zog. Zum anderen können digitale Angebote sukzessive die Produktivität der Optiker erhöhen. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, obwohl CFO Zeiss sie nicht bestätigte: Corona ist mittelfristig positiv für Fielmann, denn einige kleine Optiker werden insolvent gehen und die Kontaktbeschränkungen dienen als willkommene Begründung, digitale Angebote stärker zu puschen.
Was machen wir nun?
Ich würde mir am Montag mal eine Position in unser spekulatives Portfolio holen. Die Aktie ist zwar hoch bewertet, wie oben gezeigt. Doch das war sie in den vergangenen Jahren immer. Und gute Aktien sind nun einmal teuer.
Nächste Woche Donnerstag wird Fielmann Quartalszahlen veröffentlichen. Meine Spekulation könnte somit bereits sehr schnell aufgehen bzw. widerlegt werden. Die Erwartungshaltung gegenüber Fielmann ist gering, ich sehe die Gefahr eines Rückschlags nach ggfls. enttäuschenden Zahlen als gering ein. Auf der anderen Seite wäre eine positive Überraschung eine wirkliche Überraschung, die zu einem Kurssprung führen könnte.
Stephan Heibels Investmentideen werden im Heibel-Ticker Portfolio umgesetzt und können dort transparent nachverfolgt werden.
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